Kolbow und Koerber-Becker fordern Nachbesserungen im Schienenersatzverkehr

v.l.n.r. Bezirkstagskandidatin Lore Koerber-Becker, Evi Gerhard und Alexander Kolbow
Thorsten Becker

10. August 2023

Bei einer Tour mit dem Schienenersatzverkehr informierten sich der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion und Landtagskandidat Alexander Kolbow und Bezirkstags-kandidatin Lore Koerber-Becker über die Barrierefreiheit im Schienenersatzverkehr (SEV) nach Heidingsfeld, Heuchelhof und Rottenbauer. Fachkundig begleitet wurden sie dabei von Evi Gerhard, die selbst Rollstuhlfahrerin ist und sich aktiv für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzt. Dass es bei der Barrierefreiheit im SEV große Defizite gibt, wurde schnell deutlich. Schon vor Abfahrt am Vogelshof (Haltestelle Wiener Ring) zeigte sich, dass die Wegebeziehungen bei der Baustelleneinrichtung nicht beschildert und unübersichtlich sind. Zudem parkte im Kreuzungsbereich ein Lastwagen der Baufirma, der die Sichtbeziehungen stark einschränkte. „Hier fehlt der WSB und den beauftragten Baufirmen das nötige Einfühlungsvermögen in die Situation von Menschen mit Behinderung“, stellte Evi Gerhard fest.

An der Haltestelle Wiener Ring wurde auf der ausgehängten Information zur Barrierefreiheit deutlich: an dieser Haltestelle ist die Nutzung der Rollstuhlrampe nicht möglich. Die nächsten barrierefreien Haltestellen befinden sich an der Endstation Rottenbauer in 2,5 Kilometern und am Heriedenweg in 2,7 Kilometern. „Für einen Rollstuhlfahrerin ist die Strecke bis zur nächsten barrierefreien Haltestelle unrealistisch“, erklärte Evi Gerhard. Die Mitnahme an der Haltestelle Wiener Ring ist somit für einen Rollstuhlfahrerin ein Lotteriespiel. „Menschen mit motorischen Einschränkungen und insbesondere Personen im Rollstuhl sind sehr oft auf den ÖPNV angewiesen. Er ermöglicht weitgehend selbstständige und unabhängige Mobilität. Deshalb ist es Aufgabe der Stadt und ihrer Tochterunternehmen, die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen an der Stadtgesellschaft sicherzustellen“, ist Bezirkstags-kandidatin Lore Koerber-Becker überzeugt.

Wir hatten Glück. Der freundliche Busfahrer nahm uns auf Nachfrage trotz Rollstuhl mit. Doch noch bevor er die Rampe ausklappen konnte, zeigte sich ein weiterer Nachteil am SEV. Eine Mutter mit Kinderwagen eilte an uns vorbei in den Bus. Zwar konnte Evi Gerhard mit ihrem Rollstuhl noch über die Rampe in den Bus einfahren, aber ein Drehen war nicht mehr möglich. Der Ausstieg musste somit rückwärts erfolgen und war deshalb ohne Assistenz nicht möglich. „Im Schienenersatzverkehr sind die Platzverhältnisse deutlich beengter als in der Straßenbahn. Die Mitnahme von zwei Rollstühlen ist hier nicht möglich“, informierte Gerhard.

Auf der Rückfahrt vom Hauptbahnhof nach Rottenbauer wurde genau diese Situation Realität. Im Bus befand sich bereits ein Rollstuhlfahrer. Gerhard, Koerber-Becker und Kolbow mussten 10 Minuten im Regen auf den nächsten Bus des Schienen-ersatzverkehrs warten. Die Haltestelle am Hauptbahnhof liegt in einer Kurve, so dass die Busfahrer*innen die Haltestelle sehr genau anfahren müssen, wenn sie die Barrierefreiheit sicherstellen wollen. Unser Busfahrer hatte offensichtlich den Rollstuhl nicht gesehen und hielt mit einigem Abstand zum Bordstein, was den Einsatz der Rollstuhlrampe nur gerade so noch möglich machte. Für Gerhard blieb trotzdem ein mulmiges Gefühl, da ein Abrutschen der Rollstuhlrampe zu einem schweren Sturz mit dem Elektrorollstuhl hätte führen können.

Zurück an der Haltestelle Wiener Ring positionierte die Busfahrerin die Rollstuhlrampe für den Ausstieg. Nur wenige Zentimeter trennten das Ende der Rampe von der Absperrung der Baustelleneinrichtung, so dass Evi Gerhard beim Ausstieg am Absperrgitter hängenblieb. Ohne Assistenz wäre auch hier ein Fortkommen nicht möglich gewesen. Auf den letzten Metern zeigte sich dann noch ein weiteres Problem. Die Fußgängerampel muss durch Drücken aktiviert werden. Aufgrund der Baustelleneinrichtung und der Größe des Elektrorollstuhls konnte Gerhard die Ampel nicht drücken, da sie zu weit entfernt stehenbleiben musste. An der Ampel standen nur noch Gerhard, Koerber-Becker und Kolbow. Alle anderen Fahrgäste hatten seit dem Aufbau der Rampe und dem Ausstieg der Rollstuhlfahrerin den Haltestellenbereich bereits verlassen. Alleine hätte Gerhard die Haltestelle nicht ungefährdet verlassen können.

„Die Tour mit Evi Gerhard und ihrem Rollstuhl hat deutlich gemacht, dass beim Thema Barrierefreiheit im Schienenersatzverkehr noch viele Nachbesserungen nötig sind“, ist der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Alexander Kolbow überzeugt. „Deshalb beantragen wir im Ferienausschuss am 17.08.2023 in einem Dringlichkeitsantrag, dass

1) umgehend Maßnahmen ergriffen werden, um weitere Haltestellen des aktuellen Schienenersatzverkehrs (SEV) in den Sommerferien barrierefrei zu gestalten. Es wird geprüft, ob durch die Verschiebung von Haltestellen mehr Barrierefreiheit möglich ist.

2) Insbesondere am Heuchelhof (Athener Ring, Madrider-Ring, Wiener Ring, Straßburger Ring) wird mindestens eine barrierefreie Haltestelle in Richtung Stadtzentrum/Busbahnhof errichtet.

3) Zukünftig ist bei geplanten Schienenersatzverkehren die Barrierefreiheit von vornherein zu berücksichtigen und entsprechend zu kommunizieren. Die entsprechenden Fachstellen der Stadtverwaltung und der Kommunale Behindertenbeauftragte sind in die Planung einzubinden.

4) Auch Ersatzhaltestellen für Schienenersatzverkehr entlang des Straßenbahn-Netzes müssen nach und nach barrierefrei umgebaut werden. Hierfür wird eine Prioritätsliste mit konkreter Zeitachse festgelegt und dem Stadtrat in der Stadtratssitzung vom 28.09.2023 vorgestellt.

5) Bei den Haushaltsberatungen für das Jahr 2024 wird von der Stadtverwaltung ein „Sonderprogramm Ausbau von Haltestellen im Schienenersatzverkehr“ in angemessener Höhe in den städtischen Haushalt eingeplant“,

so Kolbow weiter.

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